Statt »innovativ«: Nicht empfehlenswert

Leucidal™ Liquid SF MAX

Leucidal™

Die Firma Actice Micro Technologies hat sich in den letzten Jahren u. a. durch die Entwicklung biotechnologisch hergestellter, nach eigenen Angaben antimikrobiell wirkender Konservierungsmittel einen Namen gemacht. Das biotechnologische Herstellungsprinzip dieser Produkte soll ein Bakterium nutzen, das im Herstellungsprozess eines traditionellen koreanischen Lebensmittels eine wesentliche Rolle spielt: Kimchi, fermentierter Chinakohl. Leuconostoc kimchii ist eines der 15 Leuconostoc-Species, die an diesem speziellen Fermentationsprozess beteiligt sein sollen. Während des Fermentationsprozesses produziere dieses Bakterium, so der Hersteller, Peptide (also eine Verbindung von Aminosäuren, sogenannte Bakteriocine), die antimikrobielle Wirkungen zeigen sollen. Zum Teil werden diese Peptide mit Fermentationsprodukten von Kokosölfettsäuren mit Lactobacillus kombiniert.

2015 wurde jedoch in einer Untersuchung nachgewiesen, dass die antimikrobielle Aktivität der untersuchten (als salicylatfrei ausgelobten) Handelsprodukte auf Salicylsäure und Didecyldimethylammoniumsalze zurückzuführen ist, die erwiesenermaßen keine Fermentationsprodukte sind. Im Gegenteil wiesen Analysen sie als Erdölderivate aus, da die Kohlenstoff-Datierung bestimmter Verbindungen ein Alter von »52.000 plus/minus 900 Jahre« bzw. 21.140 plus/minus 100 Jahre ergab. Die untersuchten Proben wurden im Handel gekauft (genannt werden Einzelhändler mit Onlinestores in Lincolnton, North Carolina, und in Olga, Washington) und in der Studie mit Chargennummer gelistet.

In summary, the antimicrobial activity of commercial Leuconostoc/radish root ferment filtrates (LRRFF) are attributed to salicylic acid and didecyldimethylammonium salts. Moreover, these two compounds are too deficient in 14C to be the product of recent fermentation, suggesting that they are derived from petroleum feedstock. We were unable to detect antimicrobial peptides in any sample of fermented radish root filtrate.

J. Agric. Food Chem. 2015, 63, 11, 3053–3058 (Artikel als PDF)

Übersetzt:

»Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die antimikrobielle Aktivität kommerzieller Leuconostoc/Rettichwurzel-Ferment-Filtrate (LRRFF) auf Salicylsäure und Didecyldimethylammoniumsalze zurückzuführen ist. Darüber hinaus weisen diese beiden Verbindungen einen zu geringen 14C-Gehalt auf, um das Produkt einer kürzlich erfolgten Fermentation zu sein, was darauf hindeutet, dass sie aus Erdöl gewonnen wurden. Wir waren nicht in der Lage, antimikrobielle Peptide in irgendeiner Probe von fermentiertem Rettichwurzelfiltrat nachzuweisen.«

Diese Arbeit wurde durch den Natural Sciences and Engineering Research Council of Canada (NSERC), die Griffith
Laboratories Limited
, die Alberta Innovates Health Solutions und den kanadischen Forschungslehrstuhl für bioorganische und medizinische Chemie unterstützt. Die Griffith Laboratories Limited ist als Herstellerin von Lebensmittel-Inhaltsstoffsystemen zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit und des Geschmacks ein Unternehmen mit »konkurrierendem Interesse«, wie die Studie selbst korrekt notiert. Unabhängig davon gibt bis heute jedoch keine fachlichen Beanstandungen oder Zweifel an der Seriosität der Studie.
Durch einen privaten E-Mail-Wechsel erhielt ich Einblick in eine Reaktion des Herstellers auf o. g. Studie, in der u. a. angemerkt wird, dass die getesteten Produkte – wie auch in der Studie notiert – nicht direkt vom Hersteller stammten. Auf das Ergebnis der Kohlenstoff-Datierung der vorgefundenen Substanzen, die nachweislich keine Fermentationsprodukte sind und daher auf einem anderen Weg in das Produkt gelangt sein müssen, wurde in der Stellungnahme leider nicht eingegangen.

In meiner eigenen Rührpraxis sind mehrere Kosmetikprodukte trotz guter Herstellungspraxis mit Leucidal™ SF Complete verkeimt. Eine leichte Besserung zeigte sich, nachdem ich das Konservierungsmittel vor dem Gelbildner eingearbeitet habe und damit – so werte ich das Phänomen – eine ausreichende Verfügbarkeit im Wasser möglich war. Auch Mitglieder der Rührküche berichten von Trübungen, Inkompatibilitäten und verkeimten Produkten. In Fachforen gelten Leucidal-Produkte ausnahmslos als konservierungstechnisch unzureichend:

Leucidal liquid is a „mild“ antimicrobial at best, and a gamble of a preservative at worst.

Chemists Corner, 15. Juli 2020

Leucidal is not a robust preservative. This is especially true if you are using botanical ingredients. It is unlikely your product will be safe to use for any significant length of time.

Chemists Corner, Januar 2021

Bisweilen werde ich von Kundinnen und Kunden gefragt, wie ich zu den neueren Leucidal®-Produkten stehe. Meine Antwort ist immer die gleiche: Warum sollte ich einer Produktgruppe vertrauen, die nach meinen und den Erfahrungen anderer nicht zuverlässig konserviert? Fermentierte Rohstoffe eröffnen aus kosmetischer Sicht als Wirkstoffe interessante Perspektiven – so setze ich gerne Probacillus Revive der Firma Active Concepts (INCI Lactobacillus Ferment Lysate) in Seren und Tonern ein – als Konservierungsmittel haben sich aus meiner Sicht andere Rohstoffe besser bewährt. Ich selbst verwende Leucidal™-Produkte nach mehreren negativen Erfahrungen nicht mehr.

Sie möchten Leucidal®-Produkte zur Konservierung Ihrer Produkte verwenden? Die folgende Tabelle zeigt in einer kurzen Übersicht wesentliche Kerndaten nach Angaben des Herstellers:

Leucidal® SF CompleteLeucidal® SF MAX
INCILactobacillus Ferment (and) Lactobacillus (and) Cocos Nucifera (Coconut) Fruit ExtractLactobacillus Ferment
CAS-Nummern1686112-36-6
68333-16-4
8001-31-8
1686112-36-6
Einsatzkonzentration2–4 %2–4 %
Gehalt an antimikrobiell wirkenden Bacteriocinen1 – 10%5 – 10%
HinweiseSalicylatfrei, keine weiteren ZusätzeSalicylatfrei, keine weiteren Zusätze
Wirksamkeit laut HerstellerBreitbandschutzBreitbandschutz
pH-Wert-BereichpH 3–8, optimal pH 5pH 3–8, optimal pH 5
Löslichkeit
und Temperaturtoleranz
wasserlöslich
unter 70 °C verarbeiten
wasserlöslich
unter 70 °C verarbeiten

Verarbeitung

Der Hersteller empfiehlt für beide Produkte, mit 4 % Einsatzkonzentration zu beginnen. Die Verarbeitungstemperatur sollte unter 70 °C betragen. Optimal, so der Hinweis, ist eine Einarbeitung der genannten Leucidal™Produkte zum Ende des Herstellungsprozesses.

Leucidal™ SF Complete und Leucidal® SF MAX sind kationisch, weisen also eine positive Ladung auf. Dies kann zu Inkompatibilitäten mit anionischen Gelbildnern führen (z. B. Xanthan und Carrageenan), die sich in Trübungen äußern, da sich lipophile Teile der Konservierungsmittel in ihrer Löslichkeit verändern. Um diese Trübung zu minimieren, empfiehlt der Hersteller u. a. für Xanthan die Reihenfolge »Leucidal™«, dann »Wasser«, dann den Gelbildner. Die Zugabe von Natriumcitrat oder Kochsalz (< 2 %) können diese Trübungen minimieren, da sie die Ladungsdichte der Wasserphase verändern.

Heike

Mein Rat

Wenn Sie die Leucidal-Produkte verwenden möchten, beobachten Sie Ihre hergestellten kosmetischen Produkte kritisch, registrieren Sie jede Veränderung hinsichtlich Farbe, Geruch, Konsistenz. In jedem Fall erfordert die Produktentwicklung mit dieser Rohstoffgruppe – so das Resümee – offensichtlich umfassende Kompatibilität- und Belastungstests, um das Risiko einer Verkeimung zu minimieren. Insbesondere bei Formulierungen mit mikrobiologisch kritischen Inhaltsstoffen empfehle ich Ihnen, mit einem Ko-Konservierer zu arbeiten. Ergänzen Sie zusätzlich einen Chelatbildner wie Phytinsäure.

Autorenbild © Heike Käser | Olionatura®