INCI: Urea
Rein chemisch gesehen ist Harnstoff ein stickstoffhaltiges, hygroskopisches (wasseranziehendes) alkalisches Stoffwechselprodukt, das heute synthetisch hergestellt wird und einen pH-Wert von ca. 9 aufweist. Seine dermatologische Anwendung als wundheilende Substanz weist bis in vorchristliche Zeiten zurück und wurde im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts wieder populär. Seinen Durchbruch erlebte die Anwendung von Harnstoff als 10%ige Zubereitung in der Behandlung von Neurodermitis, Psoriasis und Ichthyosen in den 1970ern; so verdanken wir Prof. Wolfgang Wohlrab aus Halle († 2023), der den neuen Forschungszweig der Dermatopharmazie begründete und als »Vater der Harnstoffanwendung in der topischen Dermatotherapie« gilt, viele aktuelle Erkenntnisse über seine Wirkungsweise. Wir kaufen Harnstoff in Form eines feinen, weißen Granulats oder Pulvers. Harnstoff lässt sich in einem Mörser staubfein zerreiben und steht somit für unterschiedliche Einsatzzwecke zur Verfügung, u. a. in Emulsionen, Oleogelen und Pudergrundlagen.

Kurzportrait von Urea
Herkunft: synthetisch
Granulat, Pulver
Dosierung: 2–20 %
- CAS-Nr. 57-13-6
- Funktion und kosmetischer Einsatz: Feuchtigkeitsbindender Wirkstoff in Pflegeemulsionen und Oleogelen, als juckreizstillender und verhornungsregulierender Zusatz in Produkten für atopische Hautzustände, unreine Haut und Akne.
- Verarbeitung: Bitte beachten Sie die detaillierte Beschreibung im Portrait.
Löslichkeit: wasserlöslich
pH-Wert: 7,5–9,5
(480 g/L bei 25 °C)
Haltbarkeit (bei Raumtemperatur, dunkel und gut verschlossen gelagert): 36 Monate
Harnstoff ist Bestandteil des hauteigenen Natural Moisturizing Factor (NMF) des Stratum Corneum (er macht ca. 7 % dieser natürlichen Feuchthaltefaktoren aus). Man vermutet, dass der hauteigene Harnstoff primär das Abbauprodukt aus Proteinen der verhornenden Keratinozyten darstellt. Als hautphysiologische Substanz gilt er als unbedenklich, sehr verträglich, in geringen Dosierungen zur Hydratation nicht irritativ und nicht toxisch. Seine synthetische Herstellung ist der Grund, dass er gemäß Standard als nicht naturkosmetik-konform bewertet wird.
Wirkung und kosmetischer Einsatz
Neben seiner wasserbindenden Wirkung weist Urea bei höherer Konzentration über 10 % eine sog. keratoplastische und, ab ca. 20 %, eine keratolytische Wirkung auf die Epidermis auf. Dies bedeutet, dass Urea die Wasserstoffbrücken des Keratins der verhornten Zellen (den Korneozyten) im Stratum Corneum aufspaltet (Keratolyse) und ihren Zusammenhalt lockert, sie also verformbarer macht (keratoplastische Wirkung); Hauttalg kann besser abfließen. Diese Wirkung ist z. B. bei starker Verhornung erwünscht, wie sie oft bei fettenden, unreinen Hautzuständen auftritt (allerdings sollte die Anwendung nicht großflächig erfolgen). Höhere Einsatzkonzentrationen über 15–20 % Harnstoff gehören in fachliche Hände und sollten nicht im DIY-Kosmetik-Bereich eingesetzt werden.
Ein sinnvoller Nebeneffekt ist die Eigenschaft von Harnstoff als so genannter Enhancer, d. h. er wirkt penetrationsfördernd, in dem er die Einlagerung von Wasser in die Barriereschicht fördert, sodass hydrophile Wirkstoffe besser passieren können. Interessanterweise beeinflusst Harnstoff auch das Einziehverhalten von reinen fettbasierten Kosmetika positiv.
Besonders schnell wird Harnstoff aus wasserbetonten O/W-Emulsionen freigesetzt. Tiefer penetriert er jedoch aus fettbetonten W/O-Emulsionen. Feinst zerrieben kann Urea z. B. in einem Oleogel dispergiert werden und bietet eine interessante Möglichkeit, barriererestrukturierende Lipide mit einer feuchtigkeitsbindenden Depotwirkung zu kombinieren, die es zeitlich verzögert auch in tiefen Schichten der Epidermis bewirkt. Es folgt demnach einem ganz anderen Wirksprinzip als dem der schnellen Freisetzung in einem wasserbasierten Präparat10.
Verarbeitung von Harnstoff
Als Optimum gilt für Harnstoff ein pH-Wert von ca. 6,2. Das bedeutet jedoch nicht, dass der pH-Wert des Endprodukts zwingend bei diesem Wert liegen muss. Die für Gesellschaft für Dermopharmazie empfiehlt einen pH-Wert-Bereich von 4–8.
Harnstoff ist gut wasserlöslich (ca. 1:1), neigt jedoch in wässriger Umgebung zum Zerfall, der sogenannten Hydrolyse. Wärme, aber auch extreme pH-Werte im sauren oder basischen Bereich beschleunigen diesen Prozess, den wir an einem deutlichen Ammoniakgeruch erkennen: Zersetzungsprodukte sind Ammoniumcyanat, Ammoniak und Kohlendioxid (letzterer verrät sich oft als Schaum in der Emulsion, noch bevor wir etwas riechen). Diese Zersetzungsprodukte sind kosmetisch nicht schädlich, aber selbst eine geringfügige Zersetzung von weniger als 0,2 % Harnstoff führt in ungepufferten Lösungen zu einer signifikanten pH-Erhöhung. Dieser Anstieg kann unangenehme Folgen haben: Viele naturkosmetikkonforme Konservierungsmittel benötigen einen leicht sauren pH-Wert unter pH 5,5, um ihre konservierende Wirkung zu entfalten. Ein Zerfall von Harnstoff kann sie deaktivieren und das Konservierungskonzept unserer Formulierung beeinträchtigen.
Aus diesem Grund sollten kosmetische wasserhaltige Emulsionen »gepuffert« werden. Diese Pufferung erreichen wir durch die Zugabe einer Kombination aus Natriumlaktat und Milchsäure. Diese Kombination unterbindet die Hydrolyse zwar nicht, verzögert sie jedoch deutlich. Aus der Pharmazie ist ein Puffer aus 1 % Milchsäure (90 %) und 4 % Natriumlaktatlösung (50 %) bekannt. Um annähernd das gleiche Verhältnis zwischen reinem Natriumlaktat- und Milchsäure-Anteil wie im originalen Laktatpuffer zu wahren, passen wir die die Mengen an. In kosmetisch orientierten, selbst hergestellten Pflegepräparaten hat sich in meiner Praxis eine Einsatzkonzentration von 2 % Natriumlaktat (60%ig) und ca. 0,7 % (exakt 0,675 %) Milchsäure (80 %) bewährt. Das ist die Hälfte des pharmazeutischen Puffers, lässt jedoch Spielraum für weitere Wirkstoffe und stabilisiert den pH-Wert in einem Zeitraum, der für selbst hergestellte Kosmetika realistisch ist.
In einem im Februar 2007 erschienenen Beitrag in der Fachzeitschrift »Kosmetische Praxis« nennt Dr. Hans Lautenschläger Harnstoff u. a. als Ingredienz in Spezialpudern, der in dieser Form antibakterielle und juckreizstillende Wirkungen hat8. Ausführlicher wurde dieser Einsatz durch ihn bereits 20069 diskutiert. In dieser Einsatzform ist die Neigung von Urea zur Zersetzung nicht mehr relevant.
Aufgrund seiner Temperatur-Unempfindlichkeit ist Allantoin eine gute Alternative zu Harnstoff, wenn eine keratoplastische bzw- keratolytische Wirkung gewünscht wird. Die wasserbindende Wirkung von Allantoin ist jedoch nur gering.
Einsatzkonzentration von Harnstoff
In Hautpflegeemulsionen | 2–5 % |
In Hautpflegeemulsionen für sehr trockene, atopische Haut | 5 % (Harnstoff) + 5 % Glycerin, solo bis 10 % |
In Oleogelen | 1–3 % |
In Gesichtspuder | 0,5 – 1 % |
In Fußpflegecremes | 5–15 % |
zur Behandlung pilzbefallener Nägel (Salbenverband) | 20 % |
Bei neurodermitischen Hautzuständen arbeiten viele Rezepturen mit 10 % Harnstoffzusatz, da er nicht nur feuchtigkeitsbindend, sondern auch juckreizstillend wirkt; allerdings sollten Sie harnstoffhaltige Rezepturen nicht auf entzündeten, nässenden Hautarealen und bei Kleinkindern unter 5 Jahren anwenden, da es zu einem Brennen (»stinging«) kommen kann.
Quellen
- Prof J. Wohlrab (Hrsg.), Adjuvante Therapie der Atopischen Dermatitis, 2005.
- Empfehlung der GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V., Wirkstoffdossiers für externe dermatologische Rezepturen, 2005.
- Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände: Neues Rezeptur-Formularium. Rezepturhinweise Harnstoff. Eschborn: Govi-Verlag, 2008
- Lebensmittelchemische Gesellschaft, Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker, Harnstoff. In: Datenblätter zur Bewertung der Wirksamkeit von Wirkstoffen in kosmetischen Mitteln, 2001.
- Dr. med. T. Eberlein, G. Kammerlander, Übersicht über relevante (»wirksame«) Inhaltsstoffe, 2002
- M. Gloor, K. Thoma, J. Fluhr: Dermatologische Externatherapie. Berlin: Springer-Verlag, 2000
- M. Gloor, W. Gehring: Eigenwirkungen von Emulsionen auf die Hornschichtbarriere und -hydratation. In: Der Hautarzt, April 2004, Ausgabe 54
- Dr. H. Lautenschläger, Neues aus der Puderdose – vom Harnstoff-Puder bis zum Faltenkiller, in: Kosmetische Praxis 2007 (2), 14-16
- ders., Universelle talkumfreie Pudergrundlage mit Harnstoff, in: Kosmetische Medizin 2006 (2), 68-70
- ders., Oleogele – was wasserfreie Präparate leisten können, in: Kosmetische Praxis 2004 (4), S. 6–7
- Wolfgang Raab, Ursula Kindl: Pflegekosmetik. Ein Leitfaden. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. 4. Auflage, 2004
- Rolf Daniels: Die richtige Galenik für kranke Haut. In: Pharmazeutische Zeitung 24/2009
- Jaime Piquero-Casals, Daniel Morgado-Carrasco, Corinne Granger, Carles Trullàs, América Jesús-Silva, Jean Krutmann: Urea in Dermatology: A Review of its Emollient, Moisturizing, Keratolytic, Skin Barrier Enhancing and Antimicrobial Properties. Dermatol Ther (Heidelb) (2021) 11:1905–1915