Dossier »Konservierung« · Teil 3

Blaue Flüssigkeit tropft in ein Reagenzglas

Den pH-Wert kontrollieren

Der pH-Wert eines kosmetischen Endprodukts hat einen großen Einfluss auf die mikrobielle Stabilität, die kosmetische Wirkung der Inhaltsstoffe und die Hautverträglichkeit. Insbesondere naturkosmetische Konservierungskonzepte benötigen dringend einen leicht sauren pH-Wert, um optimal zu wirken. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen die Gründe erläutern, warum der pH-Wert wichtig für eine mikrobielle stabile und hautverträgliche Rezeptur ist und wie Sie ihn optimal beeinflussen können.

Extrakt in einer Pipette

Dossier »KOnservierung«

  1. Kosmetik konservieren?
  2. Hygienisch arbeiten
  3. Den pH-Wert-kontrollieren
  4. Frei von Konservierungsmitteln?

Wenn Sie Rezepte exakt nachrühren, werden Sie in der Regel keine außergewöhnlich bösen Überraschungen erleben, da diese erprobt sind, alle notwendigen Angaben enthalten und sich im Rühreralltag bewährt haben. Es gibt jedoch Rezepturen, in denen auf eine konkrete Angabe an pH-Wert-kontrollierender Milch- oder Zitronensäure verzichtet und darauf hingewiesen wird, selbst die notwendige Menge zu ermitteln, um den pH-Wert einzustellen.

In meinen Rezepturen werden Sie grundsätzlich diesen Hinweis finden: »q. s.« steht dort, quantum satis (lat.), übersetzt etwa »soviel wie notwendig«. Grund ist, dass Änderungen an den Komponenten einer Rezeptur oder ihren Anteilen den pH-Wert die Ausgangssituation verändern können und die notwendige Menge an pH-wert-regulierender Säure aus der Originalrezeptur nicht mehr stimmt. Da ich nicht wissen kann, was wer mit meinen Formulierungen macht, habe ich mich entschieden, diese Verantwortung abzugeben. Sobald Sie selbst beginnen, Kosmetikrezepturen zu entwickeln, liegt es vollends in Ihren Händen, für eine gute Produktqualität und -sicherheit zu sorgen.

PH-neutral oder ph-hautneutral?

Rein fachlich definiert der Terminus »pH«, wie hoch die Konzentration an Wasserstoffionen in einer wässrigen Lösung ist. Der pH-Wert trifft eine Aussage darüber, wie sauer oder basisch (alkalisch) eine wässrige Lösung ist. Daraus folgt auch, dass rein fettbasierte Produkte ohne Wasseranteil keinen pH-Wert aufweisen.

Die Herkunft des Begriffs wird in vielen Quellen auf die lateinischen Wörter »pondus« (übersetzt »Gewicht«) bzw. »potentia« (übersetzt »Macht« oder »Kraft«) und »hydrogenii« (der Genetiv des Wortes Hydrogenium, Wasserstoff), zurückgeführt. Zusammen könnte man pH demnach mit »Gewicht« oder »Kraft des Wasserstoffs« übersetzen.

Reines Wasser hat pH-Wert 7, ist demnach pH-neutral und liegt auf der Gesamtskala zwischen 0 (Säure) und 14 (Lauge) in der Mitte. Wenn wir Emulsionen rühren, bestimmen die Rohstoffe, in welchem pH-Wert sich die Gesamt-Rezeptur befindet. Anzustreben ist ein pH-hautneutraler Bereich, da dieser dem Milieu der Haut am meisten entspricht. Sie haben sicher schon einmal die Begriffe »pH-neutral« oder »pH-hautneutral« gelesen. Oft werden diese Begriffe für Kosmetika verwendet, um deren Hautfreundlichkeit und Verträglichkeit zu betonen. Tatsächlich weist unsere Haut – je nach Körperregion – einen pH-Wert zwischen 4,5 und 6,9 auf (5,5 wird häufig als hautoptimaler pH-Wert genannt), liegt also in einem leicht sauren Bereich. Dieser saure pH-Wert-Bereich bewirkt u. a., dass vorhandene Mikroorganismen sich nicht so leicht vermehren können, ist die Voraussetzung für das ungestörte Ablaufen hautphysiologischer Stoffwechselprozesse (1) und eine intakte Barriereschicht (2). Für uns Selbstrührer bedeutet dies: Der pH-Wert unserer Emulsionen zur unterstützenden Hautpflege gesunder Haut sollte sich normalerweise in diesem Wertebereich bewegen. Den pH-Wert kontrollieren bedeutet daher einen wesentlichen Faktor für die kosmetische Produktqualität.

PH-Wert und mikrobielle Produktstabilität

Ein wesentlicher Grund, eine Emulsion in diesem Bereich »einzustellen«, ist, dass ein zu hoher pH-Wert die mikrobielle Stabilität der Emulsion negativ beeinflussen kann. Die meisten antimikrobiell wirkenden, konservierenden Einzelsubstanzen oder Compounds im Naturkosmetik-Sektor basieren auf pflanzlichen organischen Säuren (Levulinsäure, Anisinsäure, Sorbinsäure, Benzoesäure u. a.), die nur im sauren pH-Wert-Bereich als Säure vorliegen und antimikrobiell wirken können. Beide – Säure und ihr Salz – liegen in einem Gleichgewicht vor, in dem die Anteile pH-Wert-abhängig schwanken. Erhöht sich der pH-Wert, liegen diese Stoffe in immer geringeren Mengen als Säure vor, sondern als das zugehörige Salz, und damit verlieren sie ihre konservierende Wirkung. Bei Senken des pH-Werts entsteht wieder die freie Säure und kann ihre Aufgabe erfüllen.

Welcher pH-Wert nicht überschritten werden darf, damit ein genügend großer Anteil einer organischen Säure in ausreichender Menge in dieser Form vorliegt, ist unterschiedlich. Die folgende Tabelle zeigt typische Handelsprodukte, die auf organischen Säuren basieren, und die vom Hersteller empfohlenen pH-Wert-Bereiche:

Handelsname/ProduktINCIempfohlener pH-Wert-Bereich
KaliumsorbatPotassium SorbatepH 2–6,5 | optimal: ca. pH 4–5
Dermosoft® 1388 ecoGlycerin, Aqua,
Sodium Levulinate,
Sodium Anisate
pH 4,5 – 5,5 | optimal: pH 5 (< pH 5 kann die schlecht wasserlösliche p-Anisinsäure ausfällen und kristalline Partikel bilden)
Rokonsal™ BSB-NBenzyl Alcohol, Glycerin,
Benzoic acid,
Sorbic acid
optimal < pH 5,4

PH-Wert kosmetischer Rohstoffe

Nun verwenden wir Wirkstoffe, die selbst deutlich sauer oder basisch sind und den pH-Wert einer Emulsion dadurch in eine bestimmte Richtung verändern. Die folgende Grafik zeigt für bekannte Roh- und Wirkstoffe, welchen pH-Wert sie durchschnittlich aufweisen (alle Werte entsprechen Angaben aus Hersteller-Datenblättern, die in der Regel eine Lösung einer definierten Menge des Stoffes in Wasser als Messgrundlage nehmen, und eigenen Messungen mit einem digitalen pH-Meter). Wo bekannt, habe ich die Konzentration der Lösung notiert. Wie Sie sehen, haben viele kosmetische Rohstoffe einen pH-Wert, der höher liegt als die hautphysiologischen pH 5–5,5.

PH-Werte kosmetischer Rohstoffe

PH-Werte messen

Um den pH-Wert kontrollieren zu können, gibt es verschiedene Systeme auf dem Markt. Ich stelle Ihnen im Folgenden die gängigsten Systeme vor und zeige dann, wie Sie den pH-Wert optimal messen.

PH-Werte messen: Indikatorpapier in Rollenform

Indikatorpapier in Rollenform

Die preislich günstigste Lösung ist Indikator-Papier in Rollenform. Ein Stück des Papiers (es reichen ca. 2 cm) wird abgerissen und mit der zu prüfenden Substanz bestrichen. Nach kurzer Zeit  kann man den Farbwert mit einem Kontroll-Farbstreifen prüfen und den pH-Wert in 1er-Schritten einschätzen. Dieses Verfahren ist billig und für Selbstrührer(innen) bei vielen Produkten (Shampoos z. B.) hinsichtlich der Genauigkeit in der Regel ausreichend, für Emulsionen jedoch problematisch,  vor allem, wenn die Creme eine höhere Fettphase hat und der Papierstreifen nur wenig Wasserkontakt erhält. Auch darf man hier keine exakten Ergebnisse erwarten. Schließlich verlangt der Vergleich mit der Farbtabelle auf den Streifen Übung. Ich habe früher die Marke UNITEST pH 1–11 von Kallies Feinchemie AG verwendet. Hier können Sie Anbieter finden und Preise vergleichen. Wichtig: Es kann sein, dass die aktuellen Dosen etwas anders aussehen – achten Sie einfach auf die Bezeichnung.

Indikatorstäbchen

Die aus meiner Sicht bessere Wahl sind pH-Indikatorstäbchen. Sie sind im Vergleich zu den einfachen Indikatorpapierrollen zwar deutlich teurer, allerdings auch exakter in der Messung. Wie bei den Rollen wird hier die Färbung des Messfelds auf dem Streifen mit einer Farbskala verglichen. Ich verwende am liebsten die Indikatorstäbchen von Machery-Nagel pH-Fix 3.6–6.1. Hier können Sie Anbieter finden und Preise vergleichen. Diese haben ein Messfeld in 0,3er-Schritten und lassen sich nach meiner Wahrnehmung sehr gut ablesen. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie nicht ausbluten. Auch wenn der Preis relativ hoch ist: Für Gesichts- und Körperpflege-Emulsionen, Hydrolate und Gesichtswasser sind diese Streifen ideal.

PH-Werte messen: Indikatorstäbchen von Macherey-Nagel

Müssen Emulsionen vor dem Messen verdünnt werden?

Die Frage, ob der pH-Wert direkt in der fertigen Öl-in-Wasser-Emulsion gemessen werden könne oder eine Verdünnung einer Emulsionsprobe mit destilliertem Wasser (üblich sind 10 %) zwingend notwendig sei, wird online kontrovers diskutiert. Ich habe verschiedene Sichtweisen verglichen und die Argumente geprüft. Vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen ist aus meiner Sicht keine Verdünnung erforderlich, um ein valides Ergebnis zu erzielen. Bei einer Öl-in-Wasser-Emulsion liegt unabhängig von der Viskosität immer genügend freies Wasser in der äußeren Phase vor, das aus der auf dem Indikatorstäbchen fest verstrichenen Produktprobe vom Papier aufgenommen werden kann.

Anders stellt sich die Situation bei Wasser-in-Öl-Emulsionen dar, da bei diesem Emulsionstyp das Wasser die innere Phase darstellt. Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste ist: Sie messen den pH-Wert der Wasserphase, bevor diese in die Fettphase eingearbeitet wird. Aus der pharmazeutischen Praxis kenne ich die zweite Möglichkeit: Die Emulsionsprobe wird mit Druck auf dem Papier verstrichen, sodass die inkorporierten Wassertröpfchen aus der Emulsion austreten und das Messfeld befeuchten können. Die kleinen farbigen Punkte sollten eine pH-Wert-Messung ermöglichen.

Wie misst man Emulsionen mit Pigmenten?

Eine besondere Situation liegt auch vor, wenn wir pigmentbasierte Emulsionen herstellen, z. B. eine Emulsions-Foundation. Es ist nachvollziehbar, dass die deckende Emulsionsprobe, die wir auf einem pH-Messstäbchen verstreichen, einen realistischen Eindruck des Farbwerts auf dem Messfeld erschwert. In der Industrie werden pH-Messgeräte genutzt, bei denen der pH-Wert digital abgelesen werden kann – dort existiert das Problem nicht. Welche Möglichkeiten bleiben uns zuhause?

Sie können z. B. pH-Mess-Stäbchen verwenden und das Messfeld zur Farbkontrolle mit einem Spatel nach Benetzung »reinigen«, um einen besseren Farbeindruck zu erhalten.
Alternativ ist es möglich, die Emulsion zunächst ohne Pigmente zu rühren, den pH-Wert einzustellen und die Pigmente anschließend einzuarbeiten. Bei der 2. Charge haben Sie einen Anhaltspunkt, wieviel Milch- oder Zitronensäure Sie benötigen, und können das Produkt wie gewohnt herstellen.

PH-Werte einstellen

Im kosmetischen Bereich haben sich für Selbstrührer vor allem folgende Produkte als pH-Wert-Regulatoren bewährt:

BezeichnungEinfluss auf den pH-WertKommentar
Milchsäure, 80 %
(INCI: Lactic Acid)
↓ senkt den pH-Wert
(er wird saurer)
wirkt befeuchtend, bildet mit Natriumlaktat einen Puffer, der den pH-Wert stabil hält.
Zitronensäure
(INCI: Citric Acid)
↓ senkt den pH-Wert
(er wird saurer)
wirkt als Komplexbildner (bindet Metallionen in einem Produkt), bildet mit Natriumcitrat einen Puffer, der den pH-Wert stabil hält.
L-Arginin (10 %)
(INCI: L-Arginine)
↑ erhöht den pH-Wert
(er wird alkalischer)
milde Alternative zu NaOH-Lösungen

PH-Wert-Kontrolle bei Emulsionen

Der pH-Wert wird immer ganz zum Schluss gemessen – nach der Zugabe des Konservierungsmittels und nach der Zugabe des Dufts.

  1. Streichen Sie ein wenig Ihres gerührten Produkts mit einem desinfizierten Spatel auf ein Stück abgerissenen Messtreifens (ca. 2 cm) oder – noch besser, weil genauer – das Messfeld eines Indikatorstäbchens, sodass diese an dieser Stelle gut benetzt sind. Warten Sie mindestens 30 Sekunden und streifen Sie überschüssiges Produkt mit einem Spatel ab. Manche Selbstrührer tauchen den Streifen oder das Stäbchen auch in das Kosmetikprodukt – ich selbst bevorzuge die zuerst genannte Methode, um die Gefahr einer Kontamination des Endprodukts zu mindern.
  2. Nach der Wartezeit vergleichen Sie die Färbung mit der Farbskala auf der Indikatordose oder -box möglichst bei Tageslicht. Vor allem bei den von mir empfohlenen Indikatorstäbchen sollten Sie nun ein ausreichend genaues Ergebnis erzielen.
  3. Ist eine pH-Wert-Korrektur notwendig, empfiehlt sich bei üblichen Pflegeemulsionen, zunächst 1 Tropfen Säure hinzuzufügen, diesen gut einzuarbeiten und erst dann erneut zu messen. Wiederholen Sie dies, bis der pH-Wert (in der Regel) zwischen pH 5 und 5,4 liegt. Notieren Sie sich die benötigte Menge für die Rezeptur, sodass Sie beim exakten Nachrühren der Rezeptur einen Anhaltspunkt haben.

Manche Emulgatoren reagieren auf die Zugabe der reinen 80%igen Milchsäure sensibel; die Emulsionen zeigen Trennungstendenzen oder Ausflockungen. Bewährt hat sich, Milchsäure mit Wasser zu verdünnen und diese Lösung in eine Glasflasche mit Gießring zu füllen. Auf diese Weise können Sie den pH-Wert fein justieren, ohne dass Ihre Emulsion inhomogen wird.

Für das Herstellen einer 40%igen Milchsäure-Lösung geben Sie zuerst 15 g Wasser in eine 30-ml-Glasflasche und ergänzen anschließend 15 g Milchsäure (80 %). Lagern Sie die Lösung kühl und gut verschlossen.

PH-Wert-Kontrolle bei Shampoos und Duschgelen

Shampoos und Duschgele benötigen in der Regel größere Mengen an Säure, um den gewünschten pH-Wert zu erreichen. Hier sind 30 bis 50 Tropfen (hier meine ich die 80%ige Milchsäure, nicht die verdünnte Lösung) keine Seltenheit, da einige Tenside (siehe Grafik oben) einen deutlich basischen pH-Wert aufweisen. Arbeiten Sie hier eventuell mit Schritten von ca. 10 Tropfen, um sich dem anvisierten pH-Wert zu nähern. Auch hier gilt: Haben Sie die Tropfenmenge ermittelt, sollten Sie sich diese notieren. Dies hilft beim Nachrühren der Rezeptur und spart Indikatorstreifen- bzw. -stäbchen.

Quellen

  1. Hachem, J. P. et al., pH directly regulates epidermal permeability barrier homeostasis, and stratum corneum integrity/cohesion. In: Journal of Investigative Dermatology. 2003 Aug; 121(2): 345–53.
  2. Fluhr, J. W. et al.: Generation of free fatty acids from phospholipids regulates stratum corneum acidification and integrity. In: In: Journal of Investigative Dermatology. 2001 Jul; 117(1):44–51.
Autorenbild © Heike Käser | Olionatura®